Beinahe untergegangen in dieser eigentlich recht nachrichtenarmen Sommer-Ferien-Zeit ist das Erscheinen einer neuen "Kleinen" von Carenado: der Piper Seneca V. Nachdem es ja erst so aussah, als würden sich die Südamerikaner mit der Phenom und der angekündigten Hawker 850 ins Business-Segment verabschieden, jetzt also die Seneca.
Die aktuelle Version V ist weiterhin bei Piper nagelneu zu haben, wenn man bereit ist, dafür mindestens eine gute Million US-Dollar auszugeben. Da ist die Carenado-Version mit 37.95 US$ natürlich deutlich billiger zu haben.
Für das Geld bekommt man genau das, wofür man Carenado mag oder auch nicht mag: ein ganz hervorragend modelliertes Flugzeug mit Eye-candy, wo man auch hinsieht. Auf diesem Gebiet spielt Carenado in der absoluten Oberklasse, da kommt so schnell kein anderer Hersteller mit.
Nicht ganz so gut sieht es aus, wenn es um Systemtiefe und Realismus gut. Die Entwickler haben der Seneca ein Garmin 600 als Glascockpit spendiert. Je zwei Bildschirme liefern relevante Flug- und Navigationsdaten, während die Triebwerke, klassische Kolbenschüttler, noch mit Rundinstrumenten zu kontrollieren sind. Außerdem gibt es noch zwei klassische Garmin GNS 430. Die Besitzer des GNS 430 von RealityXP können diese natürlich tauschen, um den vollen Funktionsumfang nutzen zu können.
Die Zusammenarbeit der Garmin-Gauges klappt hervorragend, Cross-Filling ist kein Problem. Schwierig wird es, wenn im Flug der Flugplan geändert werden soll. Das geht nämlich leider nicht. Auch greift das Garmin auf die Standard-Daten des FSX/P3D zu, die Nutzung aktueller Datensätze z.B. für überwachte Online-Flüge in den bekannten Netzwerken ist nicht möglich.
Wer sich bei Piper reingeklickt hat und das Cockpit der aktuellen Seneca V ansieht, der weiß, dass inzwischen drei Bildschirme des Garmin 1000 dort verbaut sind, auch die Motoren werden also digital überwacht. Trotzdem kommt mir persönlich die Light-Version mit dem Garmin 600 angenehmer vor, das G 1000 ist ja inzwischen "überall" eingebaut :D. Auch Carenado entwickelt sich weiter. Neben dem schon bekannten und sehr gut gemachten TAWS (Terrain awareness and warning system) ist nun im MFD auch ein TAS (Traffic Advisory System) sowie ein WX (Weather) zu aktivieren. Beides allerdings nur als Einzelbildschirm und nicht überlagert, wie es im Avidyne der Beechcraft King Air gelöst ist.
Die Dokumentation ist leider wieder wie immer: knapp und wenig zusammenhängend, etliche PDFs, die immer nur einen kleinen Teil wie z.B. das Garmin 600 abhandeln. Mich hat das schon immer gestört, allerdings wird sich Carenado hier wohl treu bleiben. In Sachen Flugeigenschaften und Sound gibt es hingegen nichts zu meckern. Sichtflieger werden allerdings mit dem Tiefdecker und den recht üppigen Motorgondeln nicht wirklich glücklich werden. Trotzdem ist die Seneca eigentlich dafür gedacht. Eine Druckkabine gibt es nicht, womit die Limits eigentlich schon festgelegt sind.
Mir gefällt die Piper Seneca V besser als die Beechcraft Baron aus gleichem Hause, die ja in derselben Liga spielt. Carenado ist es wie so oft gelungen, das Gefühl für diese Maschine einzufangen und umzusetzen. Dass es bei der Systemtiefe oft im Seichten bleibt, stört mich als Feierabendflieger eher weniger. Wer schnell in der Luft sein möchte, gelegentlichen IFR-Abenteuern aufgeschlossen gegenübersteht und für den auch "das Auge" wichtig ist, der wird einen Kauf nicht bereuen.